Interview mit Willy Jossen

von Carlo Vagnières

Gespräch mit Willy Jossen und Carlo Vagnières

 

Hier die Zusammenfassung unseres Gespräches : 

 

Willy Jossen zeigt uns seine Arbeit in Ausserbinn. Das Haus ist ein Glücksfall, da es noch grösstenteils  in unversehrterem Zustand erhalten ist und die Bauherrschaft aus der „Äusserschweiz“, das möglichst Original erhalten wollten. Viele dieser historischen wertvollen Häuser sind leider durch unsachgemässe Umbauten stark beschädigt worden, aber dazu später mehr.

Beeindruckend sind die Kellermauern, die mit Natursteinen und Kalkmörtel in einer Breite von 40-50 cm direkt auf den Erdboden ohne Fundament hochgemauert wurden. Die Last eines drei-stöckigen Holzhauses, das über 250 Jahre auf diesen dünnen Mauern auflag, hat sich mit der Zeit die westseitige Mauer ausgebaucht bzw. verformt. Lokale Baumeister wollten das aber nicht in der alten Art wiederherstellen, sie wollten ein Betonfundament erstellen.

 

Willy Jossen : 

„Ich begann abzugraben und fand, dass das Fundament mit 50 cm Breite wirklich zu schwach war. Für eine 2 m hohe Mauer muss man mit ca. einem Meter Mauerbreite beginnen.

Wir fanden Steine von einem anderen Umbau, die wir einbauen konnten. Die erste Lage der Steine habe ich vertikal in den Boden gesetzt und gut verkeilt und die Mauer dann auf der Länge von 5 m wieder aufgemauert. Am Schluss hatte ich keinen einzigen Stein mehr“.

 

Calcina, Carlo Vagnières :

„Du hast das ganze Gebäude nicht mit Spriessen abgefangen, getragen wurde es solange es ohne Fundament da war, von 8 Baumstammteilen, das war recht mutig finde ich“.

 

Willy Jossen :

„Es waren gerade solche Baumstämme da, lokal vorhanden und der Ingenieur fand das sei sogar besser als die Verwendung von Spriessen. So habe ich das Haus während der Sanierung auf diese 8 Baumstämme gestellt“.

 

Auch Im Haus wurde  sorgfältig mit lokalen Sanden und Sumpflak mit sogenannten Baustellenmischungen gearbeitet.  Willy Jossen zeigte uns auch Sumpfkalk-Dämmputze, die er mit Pflanzenkohle herstellt.

Beindruckend für uns war, wie Willy Jossen sich mit den Objekten auseinandersetzt. Er kennt die  Geschichte der jeweiligen Häuser, die er uns an diesem Nachmittag zeigt und was er uns darüber erzählt, zeugt von grossem Respekt und Einfühlungsvermögen in die Geschichte der Entstehung dieser Orte und deren Baukunst, dem unglaublichen Wissen, das diese Leute hatten, die ja allesamt einzig mit lokalen Rohstoffen bauten. 

 

Beim Verlassen des Gebäudes in Ausserbinn zeigte er uns an einem Nachbarhaus, was passiert, wenn man Mauerkronen, also Fundamentmauern mit Zement festigt. Er drückt mit seinem Spachtel in das morsche Holz des über dem Fundament liegenden ersten Balken, der morsch wie ein Schwamm geworden ist. Hier kann das Wasser nicht weg, Schnee und Eis machen den Rest, führt er aus. Das wird einmal sehr aufwendig werden, wenn man diesen Balken ersetzen muss. Es macht uns betroffen, denn das ist leider bei sehr vielen dieser wunderbaren Bauwerke jetzt passiert und zeigt eindrücklich, dass man im System bleiben muss, in dem diese Gebäude gebaut wurden, wenn man sie langfristig erhalten will und Zement gehörte nicht in dieses kluge und bestens funktionierende System der traditionellen Bauweise. 

 

Willy Jossen hat sich immer schon für natürliche Bauweisen interessiert. Angefangen hat er mit Industrie hergestellten mineralischen Verputzen oder auch mit Lehm, zu arbeiten. Mit einfachem Kalk, Kalkzementverputzen, die noch ganz in Ordnung waren. 

 

Willy Jossen: 

„Wir haben dann in Neubauten mit einem maschinengängigen Kalkzementgrundputz einen Spezialabrieb auf Hydraulikkalkbasis appliziert und ausgerieben, der so eigentlich in Ordnung war, ein atmendes Material und auch ganz gut anzusehen war und dann kamen die Maler und strichen eine komplett abdichtende Dispersionsfarbe drauf, die es eigentlich gar nicht bräuchte. Das habe ich nicht verstanden und so orientierten wir uns schon früh in eine andere Richtung.

Unser Geschäft wuchs, explodierte förmlich, wir arbeiteten zeitweise mit 40 Leuten und stellten dann Ende Jahr fest, dass keine Rendite da war, auch das hat geholfen sich anders zu orientieren“.

 

So kam Willy Jossen immer mehr zu dem, was ihm wirklich Freude macht, dem Erhalt historischer Bausubstanz mit eigenen Sumpfkalkmörteln und Verputzen.

2014 absolvierte er den Lehrgang Handwerk in der Denkmalpflege, wo er sich das Grundlagenwissen für seine heutige Tätigkeit erwarb. Willy Jossen ist gegenwärtig der Einzige mit einer Ausbildung  „Handwerk in der Denkmalpflege“ im Kanton Wallis. 

 

Er sieht einen wachsenden Markt, das Bewusstsein über die Qualität historischer Bausubstanzen ist am Wachsen und ein Bedürfnis nach Echtem immer mehr spürbar. Seine Mitarbeiter schätzen diese Arbeiten und auch die Maler sind auf der Suche nach natürlichen Lösungen, langsam beim Kalk angekommen. 

 

Und wie ist die Zukunft? Gibt es Interesse bei den Jungen?

„Ja“, sagt Willy Jossen, „der Lehrling, der dieses Jahr abschliessen wird, wird diesen Weg gehen“. 

 

Und wie wir verstehen, dass der Weg, der echtes Engagement voraussetzt bei Willy Jossen eine Herzensangelegenheit der Antrieb dazu war und ist. Wir haben den Eindruck, er geht ganz darin auf und ist angekommen. 

 

Das wünschen wir auch Nachfolgern der jüngeren Generation und dem Wallis.

 

Wir von Calcina möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass alte, traditionelle Techniken auch und vor allem im Neubau sinnvoll sind. In angepassten Versionen sogar ausgesprochen bereichernd. In ästhetischer, gesundheitlicher und Umwelt pflegender Hinsicht eröffnen diese aus der Handwerkstradition stammenden Materialien, Verfahren und Techniken ganz neue Möglichkeiten der Raumgestaltung. Ihr solltet da nichts verpassen !

 

 

Youtube mit Willy Jossen

 

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Dauerthema Salz 

Im Gespräch und anlässlich der besuchten Gebäude wurde klar, ein Dauerthema sind Probleme mit Salzen im Mauerwerk. Vorweg Salzprobleme gibt es immer in historischen Gebäuden und ja, sie sehen nicht sehr ansprechend aus, sind aber völlig ungiftig, ganz im Gegensatz zu den viel gravierenderen Pilzproblemen, die nicht selten durch zu dichte Anstriche und Verputzschichten hervorgerufen werden.

Salze kommen auf verschiedene Weise in die Mauern. 1. Durch Humus der sich über das Erdwerk in den alten nicht isolierten Mauerwerk in Salze wandelt. 2. Durch Urin und Gülle von Tieren oder Menschen.

Die Salze wandern dann mit der Kapillartätikeit in den Mauern und treten an die Oberfläche, nehmen dort Feuchtigkeit auf und expandieren. Das Expandieren sprengt dann förmlich die Anstriche oder oft genug auch die Verputzschichten ab.

Bei guten Kalkverputzarbeiten leiden meistens eher die Anstriche. Auch zeigen die versalzten Stellen dunkle Flecken oder Ränder.

In historischen Städten lebt man mit diesen Flecken und steht ihnen auch einen gewissen Charmefaktor zu. Meisterhaft aber gingen die Venezianer damit um. Ihre Gebäude stehen ja im Salzwasser und sind gleichsam mit Kalk gebaut. Das  Geheimnis, mit Ziegelmehl hydraulisch gemachte Sumpfkalkverputze. Hierzulande kennt man z.B. den Opferputz, ein Verputz der dafür gedacht ist, ihn mit samt dem Salz, das er aus der Mauer gezogen hat wieder abzuschlagen und dann den eigentlichen Verputz anzubringen.

 

 

Calcina wird sich zu gegebener Zeit dem Thema Salz vertieft annehmen müssen.

 

 

Calcina im Mai 2021

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